Die Praxis der Bauwerkerhaltung

Jan Leseberg, IGB Nordfriesland


Wir haben uns von Anbeginn für die Reparatur statt Erneuerung ausgesprochen, deshalb reden wir auch über Baupflege. Zum Einen, weil beim Reparieren das Ursprüngliche des Bauwerks bewahrt wird, zum Anderen, weil die Reparatur meistens wirtschaftlicher ist.

Was heißt wirtschaftlicher? Die alten Materialien wie z.B. Kalk, Lehm, Ziegel, Holz sind allergensicher, also volkswirtschaftlich gesehen kostensparend und gesund. Ihre Qualitäten, ihre Alterungsbeständigkeit sind über Jahrhunderte bekannt. Es gibt tausendjährige Holzbauten, siebenhundertjährige Fachwerkbauten, achthundertjährige steinerne Wohnhäuser. Unsere Baudenkmale würden lange nicht mehr stehen, wenn sie nicht aus erstklassigen Materialien gebaut worden wären.

Zweihundertjährige Barockfenster sind keine Seltenheit, wenn sie regelmäßig gepflegt wurden – aber nach zwanzig Jahren Kunststofffensterkultur entsteht das erste Recyclingwerk in Thüringen für diesen „Sozialfenster"-Schrott. Wußten Sie, daß 60% aller Abfälle in Deutschland aus dem Bausektor stammen?

Der Bau eines solchen Werkes ist bekanntermaßen auch energieaufwendig, wie das Recyclen selbst, aber es steigert das Bruttosozialprodukt wie auch ein Autounfall es tut. Energieaufwendig ist auch die Herstellung und der Vertrieb von energiesparenden Baustoffen, viele davon haben sich schon mit tödlicher Sicherheit als krebserregend erwiesen, damit kann man Rentenzahlungen einsparen.

Entweder verspröden diese Mittel, wie mineralische Dämmstoffe und setzen Fasern frei, die oftmals lungengängig sind, oder sie schwinden und werden vom Sonnenlicht zerstört, der Appetit von Ameisen auf Styropor bleibt ungebrochen, im schlimmsten Fall sondern Baustoffe giftige Dämpfe ab.

Kleiner Exkurs: Die ganze Chose ist Zeitgeist – Wegwerfgeist, modischer Krimskrams, um nicht zu sagen: Lobbygeist. Also schmeißt weg, was Euch kaputt macht – aber wohin? Die Müllentsorger verdienen sich eine goldene Nase, weil sogar Dachreet heute als Sondermüll eingestuft wird. Es wächst immer noch, man sollte es wegspritzen. Es gibt ja Kunststoffreet.

In Deutschland wird immer wieder behauptet, das Sanieren und Reparieren koste mehr Geld als ein Neubau. Wenn der Anspruch besteht, einem alten Haus sogar die Lachfalten auszubügeln, mag es stimmen. Unsere Ansprüche sind, verglichen mit denen in Frankreich, Dänemark oder den Niederlanden, allerdings zu hoch. Bei uns muß der Altbau nach der Sanierung möglichst wie ein Neubau wirken. Geschichtliche Spuren werden wegen überzogener Erwartungen an das „Gerade“ vernichtet.

Luxussanierungen sind an der Tagesordnung gewesen, solange es noch genug öffentliche Fördermittel gab. Es stimmt nun mal nicht, daß der Bauherr, je mehr er erneuert, desto länger er Ruhe vor der nächsten Sanierung hat. Keines der modernen Austauschprodukte wird so lange halten wie die altbewährten.

In Frankreich kann zum Beispiel der Bestand allein der Loire-Schlösser nur gehalten werden, indem das nötigste getan wird, mit dem Erfolg, daß der Charme des Alters bestehen bleibt.

Hier dagegen wird mit immensen Mitteln versucht, Neubauqualitäten zu schaffen, bis hin zur Rekonstruktion. Die zerstörte Dresdner Frauenkirche, bisher ein Mahnmal gegen den Krieg, soll als Palazzo Prozzo rekonstruiert werden und wird die Bombardierung im Bewußtsein der Menschen ungeschehen machen.

Die über tausend sanierungsbedürftigen und -fähigen Dorfkirchen in Ostdeutschland werden größtenteils vernachlässigt, obwohl in allen Regionen Handwerker in der Bauerhaltung ausgebildet werden könnten, wenn man sie sanierte. Ganz zu schweigen von dem riesigen Schatz an historischen Wohngebäuden.

Erneuerung mag manchmal unumgänglich sein, zerstörerisch für ein Baudenkmal ist sie allemal. Die behutsame Reparatur ist die wirtschaftlichere Lösung. Wenn langlebige Materialien durch Abbruch (kostet auch Geld und belastet Deponieraum) vernichtet werden, ist dies ökonomisch und ökologisch irrsinnig. Tausend Jahre Garantie auf den Haufen geworfen, wenn Sie an alte Ziegel denken.

Wir wollen mit unserem Tip veranschaulichen, wie Reparaturen und Sanierungen mit handwerklichen Mitteln sinnvoll, kostengünstig, denkmalpflegerisch, ökologisch richtig ausgeführt werden können. Dazu brauchen wir auch die Hilfe unserer Leser. Dankbar wären wir für Erfahrungsberichte von Handwerkern, Denkmalpflegern, Baubiologen, Bauphysikern, Statikern, Architekten und allen anderen, die sich mit dem Thema beschäftigen, von Bewohnern bis zu Steueranwälten.

Wir wünschen uns einen fruchtbaren Dialog.

Die Reparatur erhält das Gesicht in seinen Grundzügen, nur die Trauerfalten werden ausgebügelt.


Das Trockenlegen von Mauerwerk

Es gibt viele Ursachen für nasse Wände: wasserführende Erdschichten, Kondensation, Salze im Mauerwerk, offenen Fugen, mangelnde Regenwasserableitung, fehlende Dämmung von Kaltwasserleitungen, stark dampfsperrende oder dampfdichte Anstriche oder andere Beschichtungen wie z.B. Zementputz, zu dichte Kunststofffenster, natürlich auch schadhafte Abdeckungen, Regenrinnen, leckende Installation usw.

Ziegelmauerwerk – oft sind die Ziegel nicht allzu hart gebrannt, es sind also keine Klinker – läßt durch Kapillarwirkung Feuchtigkeit aufsteigen. Ein Verblendmauerwerk von üblicher 1/2 Stein starker Dicke, heute meist 11,5 cm, ist nicht schlagregendicht. Dahinter liegt meist eine Dämmung, vielleicht dazwischen eine Luftschicht. Die Dämmung, zusammen mit den anderen Bauteilen nach Wärmeschutzverordnung (tolles Wort übrigens) bemessen und theoretisch ausreichend, kann naß werden.

Ein nasser Mantel wärmt nicht.

Ziegel können Feuchtigkeit auch wieder abgeben. Im Erdreich natürlich nicht, von dort schlägt die Feuchtigkeit nach oben. Fugen, in alten Häusern meist Lehmfugen in gemauerten Fundamenten, tragen gehörig zum Feuchtetransport bei. Einer der wenigen grundsätzlichen Mängel bei historischen Häusern ist der fehlende Schutz gegen aufsteigende Feuchtigkeit in den Wänden, sowohl innen wie außen.


In diesem Beitrag soll zunächst nur der Schutz gegen die aufsteigende Feuchtigkeit behandelt werden.

Baumeister aus früherer Zeit wußten um den Mangel und hatten sich verschiedene Heilmittel ausgedacht. Als ich mein Haus nachgründen mußte, es steht auf einer Warft, fand ich geteerte Ziegel im gemauerten Fundament; eigentlich ganz gut, aber Lehmmörtel ließ die Feuchte nach oben steigen, nur über einige Umwege.

Sinnvoll ist die Gründung auf Granitfindlingen gewesen. Granit nimmt keine Feuchtigkeit auf. Die Fugen dazwischen, sofern sie verstrichen wurden, schon. Findlinge werden nicht überall gefunden. Die Verbreitung ist dort am weitesten, wo es am wenigsten Feuchte gibt: auf der Geest. Allerdings gibt es Beispiele in der Marsch. Ehemals reiche Bauherren, für die der Transport keine Rolle spielte, ließen sich Findlinge liefern. Bei bescheidenen uthlandfriesischen Häusern wurden Granitfindlinge zumindest als Einzelfundamente für das Ständerwerk verarbeitet.

Man hat es auch mit Bleibahnen versucht, eine Horizontalsperre herzustellen, vor allem in den Niederlanden.

Die skurrilste Art, sich vor aufsteigender Feuchte zu schützen, fand ich in Friedrichstadt an einem Bau von 1625. Einige Mauerschichten über der Pfahlgründung wurden Glasplatten in den Kalkmörtel gelegt. Glück und Glas und Verlaß … auf die Gründung.

Heute kennt man verschiedene Arten, ein nachträgliche Horizontalsperre einzurichten
Einige der bekanntesten sind:
• Injektagen
• Elektro-Osmose
• Sanierputze
• Drainagen
• Mauertrennung mit Edelstahlblechen
• Mauertrennung durch Einbau von Kunststoffbahnen

Generell muß gesagt werden, daß nachträgliche Maßnahmen möglichst reversibel sein sollten, also am liebsten keine Eingriffe in historische Bausubstanz erfordern, weil es mit neuen Baustoffen keine lange Erfahrung gibt. Rückbaubar ist eigentlich nur die Drainage sie ist aber auch nur beschränkt wirksam. In manchen Fällen muß sogar dringend davor gewarnt werden, z.B. bei Warftanlagen, den Feuchtigkeitsgehalt des aufgeschütteten Kleibodens, der ja das Volumen des tragenden Untergrundes hält, zu verringern. Man denke nur an Watt bei Ebbe und Sonnenschein: vertrocknete Scholle mit Schwindrissen. Ich meine nicht den Fisch.

Oft ist an Altbauten der Sockelbereich in den Außenwänden zerstört, an den Innenseiten und in den Innenwänden zeigen sich Salzausblühungen. Salze = Chloride gehörten zum guten Ton der Ziegeleien, sie sind nicht zu verwechseln mit Salpeter, der durch Ammoniakbelastung fast immer nur im Stallteil entsteht. Chloride sind stark hygroskopisch, d.h. sie binden Feuchtigkeit.

Durchaus reparaturfähig, gut: Mauerarbeiten müssen ausgeführt werden, mitunter ist eine Nachgründung nötig. Doch nur weil eine Wand unten schadhaft ist, muß sie nicht von oben her abgerissen und von unten her neu aufgebaut werden. Ein Austausch der beschädigten Schichten bietet sich nicht nur aus Kostengründen an.

Die Reparatur erhält das Gesicht in seinen Grundzügen, nur die Trauerfalten werden ausgebügelt – von mir aus nennen Sie es Facelifting – der sparsamen Art. Auch ein Haus sollte in Würde alt werden können. Im Zuge der Reparatur bietet sich die Beseitigung der Ursachen für die Schäden an. Meistens, wie gesagt, ist sie die aufsteigende Feuchtigkeit.

Eine alte und bewährte Methode dafür ist das „Mauertrennverfahren“. Mauertrennverfahren heißt, das Mauerwerk horizontal zu unterbrechen. Mehrere Verfahren sind gängige Praxis: eine Lagerfuge, das ist die horizontale Fuge, wird aufgeschnitten oder -gesägt. In die Fuge wird eine Horizontalsperre eingebracht.

Oder mehrere Schichten werden im Wechsel ausgestemmt und alternierend Schritt für Schritt ausgebessert (s. Skizze und Foto). Beliebt ist PVC-Folie. Sie bedeutet einen Kompromiß, sie gehört nicht zu den historischen Materialien und niemand weiß, ob sie länger als 30 Jahre hält. Aber die „Teerpappe“, seit langem eingesetzt, ist leider heute schon Lieblingsspeise von Kleinstlebewesen und muß wieder ausgetauscht werden. Die PVC-Folie ist zudem hoch reißfest. Die im Baustoffhandel angebotene 0,3 mm starke sollte man nicht nutzen. Im Streitfall beziehen sich lesefaule Richter auf einen unklaren DIN-Passus, der 1,2 mm Stärke fordert – das ist die Dicke, mit der man Schwimmbäder abdichtet, obwohl die Eignung der 0,3 mm dicken Folie durch Gutachten nachgewiesen ist.

Die Folie muß unbedingt in einem Mörtelbett verlegt werden. Damit wird das Durchdrücken von gröberen Sandkörnern oder erhärteten Mörtelresten verhindert. Die Lage der Sperrschicht sollte möglichst unterhalb der Fußbodenebene sein. Wenn man es ganz gut meint, zieht man eine zweite in ca. 30 cm Höhe über dem Terrain ein, um ein Aufsteigen von Spritzwasser zu verhindern. Die zweite Lage erfordert natürlich mehr Aufwand und meistens auch mehr Mauerwerksaustausch. Bei dieser Methode der Trockenlegung muß selbstverständlich sehr behutsam gearbeitet werden, um Setzungen zu vermeiden. Die Verwendung von Elektro- oder Preßlufthämmern sollte man unterlassen. Falls gleichzeitig mit Beton nachgegründet wird ist zu bedenken, daß Beton beim Abbinden schwindet. Dadurch können Setzrisse entstehen.

Hilfreich können Kunststoffkeile sein (Stahlkeile rosten), die in die oberste Lagerfuge zwischen dem vorhandenen und dem erneuerten Mauerwerk eingeschlagen werden und mit der Verfugung vermörtelt werden.

Die Länge der herauszubrechenden Abschnitte hängt vom Zustand des Mauerwerks ab, ein Meter ist manchmal schon zuviel.

Zum Ausmauern sollte man das Material nehmen, welches früher auch verwendet wurde, um einen homogenen Wandaufbau zu erhalten. Das unterschiedliche Alterungsverhalten neuer und alter Baustoffe kann erneut zu Schäden führen. Also: Ziegel zu Ziegel, Beton, wenn überhaupt, nur im Fundament, das gilt auch für den Zement.


Aus dem IGB-Archiv, Der Maueranker 03/1996

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