Das Niederdeutsche Hallenhaus

Text: Ellen Bauer

Lage
Das Niederdeutsche Hallenhaus, auch als altsächsisches Fachhallenhaus bekannt, ist das älteste und am weitesten verbreitete Bauernhaus in Norddeutschland. Eider, Elbe und Ems begrenzen den Raum der sächsischen Besiedlung und ihrer Fachwerkbauweise. In Nordfriesland hat sich dieser Haustyp in einem kleinen Verbreitungsgebiet erhalten, in der Landschaft Stapelholm zwischen Eider, Treene und Sorge sowie im südlichen Teil der Südergoesharde (Landschaft östlich von Husum und Mildstedt). In Ostenfeld wurde 1899 das Ostenfelder Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert als erstes Freilichtmuseum nach Husum transloziert. Ostenfeld ist ein vorgeschichtlicher Siedlungsplatz, ein hoher Geestrücken mit Grabhügeln. In Stapelholm verfügen die Dörfer Süder- und Norderstapel (heute: Stapel), besonders das Dorf Seeth und Drage (direkt an der Eider, die Nordfriesland von Dithmarschen trennt) über einen bemerkenswerten Bestand.

Geschichte
Zum Niederdeutschen Hallenhaus gibt es wegen des großen Verbreitungsgebietes umfangreiche Hausforschung und musealen Erhalt. Es ist dem eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Wohnstallhaus verwandt, sowohl in der Konstruktion mit einem Innenständergerüst wie in der funktionalen Gliederung des Grundrisses mit der Viehaufstallung in Längsrichtung mit der Stalltür im Giebel, der Grotdör. Von der Urform des Wohnstallhauses mit Wohnplatz, der offenen Feuerstelle auf der einen Schmalseite, einer Gangtrennung quer bis zum längsgerichteten Stall zur Aufstallung des Viehs nimmt das Haus im 15., 16., und 17. Jahrhundert die Form an, die uns überliefert und bekannt ist.

Wo es kein großes Aufkommen von Getreideernte und -handel gibt, bleibt der Typ des Niederdeutschen Hallenhauses zur Bewirtschaftung ausreichend. Zum Vergleich zeigt der Haubarg der fruchtbaren Marschen in Eiderstedt mit dem erheblich größeren Bergeraum deutlich den Unterschied. Auch das Geesthardenhaus löst aus vorgenannten Gründen die altsächsische Bauernhausform ab.

Konstruktion
Eine Innenständerkonstruktion mit Unterrähmzimmerung und kräftigen Deckenbalken mit verzapften Sparren bilden das Hausgerüst. Durch Uplöper oder Anläufer (Untersparren) entstehen seitliche Abseiten, sogenannte Kübbungen (Mistgängen), die das Haus verbreitern. Es ergibt sich eine Dreischiffigkeit (wie bei dem frühgeschichtlichen Haus / wie beim Utlandfriesischen Haus „Anklappungen“). In holzarmen Gegenden wie den Marschen konnte dieses Haus mit hohem Holzbedarf für Fachwerk, die eng stehende Ständerstellung mit schweren Bohlen als Boden nicht „Fuß fassen“. Zum Holzbau gehören außerdem Feldsteine zur Gründung unterhalb der Bodenschwelle, die das Holz vor Feuchte schützen, auch die gibt es nur auf der Geest. Dennoch war in den ostfriesischen Marschen dieser Haustyp Vorgänger der Gulfhäuser.(V.G.)

Bewirtschaftung
Durch die Grotdör (Lohtür) auf der Giebelseite fährt der Wagen in die Diele (Däle). Die seitlichen Kübbungen dienen der Aufstallung, die Rinder stehen mit dem Kopf zur Tenne. Das erleichtert das Füttern, erschwert aber das Misten. Das Erntegut wird auf dem Dachboden gelagert. Stroh- und Heulagerung diente der Fütterung für das eigene Vieh durch Abwurf von oben. Tradition ist die Fachwerkbauweise. Die Weiterentwicklung des Zweiständerhaues zeigt dann verbreiterte seitliche Kübbungen, einen Rauchfang über der Feuerstelle am Ende der Grotdäl, die seitlichen Siddels (Bänke, im Rücken Alkoven) in den beiden Luchten und den Anbau eines Kammerfaches (zuerst 2 Räume) zur Verbesserung des Wohnens. Der Umbau der Feuerstelle mit einem Schornstein und Rauchabzug verändert das Haus vom Rauchhaus zum „modernen“ Bauernhaus. Das geschieht zeitlich und regional unterschiedlich, in Nordfriesland auf herzögliche Verordnung beginnend im 16. Jahrhundert. Das Zweiständergerüst setzt sich im Kammerfach nicht fort. Dort werden die Deckenbalken auf die Fachwerkwände aufgelegt. Zumeist ergänzen Scheunen, Torfställe, Speicher und Backhäuser als Extragebäude dieses Bauernhaus zu einer Wirtschaftseinheit.

Und heute?
Durch besondere Aufmerksamkeit der Denkmalpflege wurde das Dorf Seeth schon in den 1970er Jahren durch Bestandsaufnahmen und später durch Mittel der Dorferneuerung von Privatbesitzern und hohem Engagement der IG Bauplege „gerettet“. Hier stehen viele gut erhaltene Niederdeutsche Hallenhäuser mit Gerüsten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Das in der Nähe liegende Dorf Drage hat bemerkenswerte Denkmalsubstanz, auch solche, die wohl noch nicht entdeckt wurde. Viele weitere Orte mit ehemaligen Niederdeutschen Hallenhäusern sind durch bauliche Verdichtung der großen Hofgrundstücke „zugesiedelt“ mit Einfamilienhäusern jedweder Art. Hier wäre zur Erhaltung des gewachsenen Dorfbildes notwendig: Raumordnung im Dorfraum und ortsverträgliche Gestaltung der Gebäude.

Grundriss

Grundriss vom „Ostenfelder Bauernhaus”, typisch für ein Niederdeutsches Hallenhaus.
Grundriss vom „Ostenfelder Bauernhaus”, typisch für ein Niederdeutsches Hallenhaus.

Erhaltene Niederdeutsche Fachhallenhäuser

Ostenfelder Bauernhaus aus dem 16./ 17./ 18. Jahrhundert, Husum (Museum, öffentlich zugänglich im Sommerhalbjahr)
Haus Jöns aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Norderstapel (Stapel)
Fachhallenhaus von 1530, Seeth

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