Umsetzung eines Kapitänshauses

Gerd Kühnast


Umsetzungen von Häusern in Nordfriesland bis in das 19. Jahrhundert durchaus üblich gewesen, solange das Baumaterial teuer und die Arbeit billig war. Ein sehr gut dokumentierter Fall soll hier vorgestellt werden: Die Umsetzung eines nordfriesischen Langhauses, genannt ,Capitainshaus", aus der Gemeinde Langenhorn, Ortsteil Westlangenhorn, in den nahe gelegenen Reußenkoog im Jahre 1805.


Vorgeschichte

Zwei Söhne des Pferdehändlers Paul Ingwersen in Westlangenhorn im Herzogtum Schleswig, Süncke als 10. Kind 1715 geboren und sein Bruder Paul. das 11. Kind, geb. 1717, werden nach dem Tod von Mutter (1727) und Vater (1729), der ein Jahr zuvor Konkurs hatte anmelden müssen, als Waisen von Verwandten (getrennt) aufgezogen.

Süncke kam in das Haus eines Onkels, wahrscheinlich auf den Catharinenhof im Alten Christian-Albrechten-Koog. In der Nähe lag der kleine Sielhafen Feddershafen bei Neugalmsbüll, der einem Landwirt und Schiffsmakler gehörte. Über diesen Hafen fand ein reger Handel bis nach Holland und Skandinavien statt.

1734 lässt der Onkel, bei dem er aufgenommen worden war, den neunzehnjährigen Süncke mit einer “Rekommendation“ [Empfehlung] an eine Familie von Spörcken zuerst nach Den Haag reisen, („...was aber nicht sonderlich von Nutzen war“)(1), dann nach Rotterdam. Hier lässt er sich von einem Werber der Vereinigten Ostindischen Compagnie der Niederlande (VOC) für die Ostindienfahrt anwerben. Schon im April segelt er mit der Osterflotte von Rotterdam nach Batavia, dem heutigen Djakarta auf Java, wo die Niederländer seit langem einen umfangreichen befestigten Handelsstützpunkt unterhielten. Nach mehr als sieben Monaten, der durchschnittlichen Reisezeit, kommt er im Dezember 1734 dort an.

Es war üblich, dass ausländische Seeleute in niederländischen Diensten ihre Namen hollandisieren mussten. Süncke Ingwersen wird in Seneca Ingersen (auch lnggersen geschrieben) umbenannt. Dabei bleibt es bis zu seinem Tode.


Paul Ingwersen folgt dem Bruder

Sünckes Bruder Paul (umbenannt in Paul lngersen) folgt ihm erst im Jahre 1750 mit großer Wahrscheinlichkeit über Kopenhagen und die ostindische Koromandelküste, wo das dänische Königreich die Kolonie namens Tranquebar unterhielt. An seinen Cousin Johann Friedrich lngwersen im nordfriesischen Borsbüll schreibt Paul am 12. Januar 1751, dass er von der Koromandelküste nach Batavia auf Java gekommen sei und dass die Reise nur 6 Monate und 20 Tage gedauert habe. „Habe meinen Bruder und Süster gesund und frisch gefunden." Die Reisezeit bezieht sich offensichtlich auf die Reise von Europa nach Ostindien und nicht auf die Strecke von der Koromandelküste nach Batavia.

Da er nicht in den Listen der VOC, auch nicht als examinierter Seemann, zu finden ist, war er nicht in den Diensten der VOC. Dafür spricht auch, dass alle von Europa kommenden Schiffe der VOC zuerst Batavia anzulaufen hatten, Paul aber über Indien anreiste. Paul ist vorwiegend als Schiffskapitän für den Bruder in ostasiatischen Gewässern unterwegs, um die erlaubten, auf eigene Rechnung getätigten Geschäfte mit vielerlei Gütern u.a. Opium (von der VOC erlaubt), Sklaven sowie Diamanten und Edelsteinen, die hauptsächlich von Ceylon stammten, zu betreiben.

Seneca ist inzwischen Resident der VOC in Cheribon, 220 km östl. von Batavia, und nur dem Generalgouverneur in Batavia direkt unterstellt. Neben vielen Aufgaben leitet er die „Opium-Societeit” in Cheribon. Er bringt es in drei Jahrzehnten zu einem ungeheuren Reichtum.


Zurück in Europa

Als Senecas Frau, Adriana van Loo, 1755 in Cheribon stirbt, reicht er seinen Abschied bei der VOC ein und verlässt Java 1757 mit seinen drei Kindern. Mit demselben Schiff, der „Walcheren”, kehrt auch Paul nach Holland zurück, der als nicht im Dienste der VOC Stehender seine Reise selbst bezahlen muss. In der Passagierliste wird er als „Luit. ter Zee” (Leutnant zur See) geführt.

Seneca kauft vom dänischen König das Gut Gelting in der Landschaft Angeln. Es besteht aus dem Herrenhaus, einem Wirtschaftshof und ca. 1.000 Hektar Land, dazu 460 Holländerkühe. Zum Gutsbezirk gehören 425 Personen, davon 345 Leibeigene. Paul lngwersen, der Capitain genannt, pachtet das Gut ab 1760 und verwaltet es bis 1771 sehr erfolgreich, während der Bruder Seneca größere Reisen unternimmt und sich sonst in Den Haag aufhält.

»Die Unterlagen unter den bretternen Fußböden und die Thürschwellen, soll er in solcher Linie legen, daß kein Auf oder Niedertritt aus einem Zimmer in das andere werde, wovon jedoch das Zimmer über dem Keller ausgenommen, als nach welcher ein Auftritt mit bequemen Stufen zu machen.« 



Ein eigenes Haus in Langenhorn

1767 sind die Pläne für ein eigenes Haus, den Alterssitz, in seinem Heimatort Langenhorn auf der westlichen schleswigschen Geest so weit gediehen, dass der Capitain mit dem Zimmermeister Niß Feddersen aus dem Langenhorner Ortsteil Mönkebüll einen Contract über den Bau des Hauses abschließen kann.

Darin heißt es:
Contract zwischen dem Bauherrn Capitaine Paul Inggersen und dem Zimmermeister Niß Feddersen, Langenhorn am 1. Novembr. 1767 (2)

Zu wissen sey hiermit, dass zwischen mir dem Capitaine Inggersen auf Gelting am einen - und mir dem Zimmermeister Niß Feddersen aus Langenhorn im anderen Theil wegen der Zimmer, Tischler und einiger anderer Arbeit zu Erbauung eines neuen Hauses in Langenhorn, folgender Contract getroffen worden.

Er wird der gemachte Abriß von diesem neu zu erbauenden Hause von 12 Fach zum Grunde gelegt und zur Richtschnur genommen; dazu soll der Annehmer Feddersen alle Balcken so wohl über die Boden als über dem Keller, wie auch über die Stuben oben in den Ärker und oben am Oster-Ende verzimmern, hobeln und aufbringen;

Das Sperrwerk nach der Maaße verzimmern, richten und die Latten aufschlagen.

Alle untere Fußböden in den Zimmern, wie auch auf der Oberboden durch das ganze Haus, ausgenommen über der Loh, und die Böden über und in den Zimmern oben im Hause legen, die bretterne Verkleidungen soweit sie nöthig und ihn angezeigt werden mögten, machen, dazu die nöthigen Bretter auf einer Seite hobeln und an den Kanten schlöfen (schleifen); sie mit allem Fleiße wohl an inander treiben; diejenige Bretter aber die auf beiden Seiten gehobelt zu werden nöthig als zu Bekleidungen und den Vorboden von den obersten Zimmern, auch auf der anderen Seite hobeln.

Die Unterlagen unter den bretternen Fußböden unten im Hause und die Thürschwellen, soll er in solcher Linie legen, daß kein Auf oder Niedertritt aus einem Zimmer in das andere werde, wovon jedoch das Zimmer über dem Keller ausgenommen, als nach welcher ein Auftritt mit bequemen Stufen zu machen.

Auf der Haus- oder Vordiele, imgleichen in der Küche, Speise Kammer; in den Knechte und Mädgenkammern, soll er die Diele von Mauersteinen legen, in der Loh eine gute ebene leimerne Diele machen, die Diele im Stalle und außen vor dem Hause auf 3 Fuß breit rundherum um das Haus oder allenfalls nur auf beide Seiten von Feldsteinen brüchen. (3)

Alle aus- und inwendige Thüren, soviel davon im Riß angezeiget, imgleichen die große doppelte Ax, oder Einfahrtsthür (4) an der Seite des Hauses soll er nach der angegebenen Höhe und Weite, nebst allen ihren Thürgerichten und zwar die Süder-Hausthüre und die Stubenthüre auf der Hausdiele mit doppelten Schlägen aus eine Länge und alle inwendigen Thür-Gerichten, außer die nach der Loh und dem Stall, auf beiden Seiten mit Architra (5) bekleiden.

Er soll auf der Hausdiele bey der Norderthüre eine bequeme Treppe nach dem Boden mit einem Geländer an beiden Seiten oder nach Gutbefinden mit einer dicken Bekleidung anlegen und verfertigen, den Winkel unter derselben bekleiden und mit einer Thüre versehen, ferner in der Knechte Kammer zwey, und in der Küche vor die Mägden eine mithin drey Bettstellen in gehöriger Breite zu 2 Personen mit Schubladen und Böden verfertigen und der übrige Raum über diese Bettstekllen bis an den Boden verkleiden und zu Schränken mit Thüren versehen, einrichten.

In der Wohnstube soll er zwey Alcoven (6) und in einer anderen ihm angezeigten Stube eine Alcove, jede mit 2 Thüren, und zwar letztere in der oberen Hälfte ohne Ausfüllung und in jeglicher Alcove eine Pfeiler-Bettstelle mit Himmel die rundherum mit Gardienen behangen werden kann, imgleichen oben in den Zimmern drey gleiche Bettstellen verfertigen.

Mit den Fensterluchten und Ramen hat zwar der Annehmer nichts zu thun, weil solche anderweit angeschafft werden, er soll aber die Fensterluken unten und oben im Hause. in allen Zimmern, in der Küche, Speisekammer Bedienten Kammer und auf der Hausdiele, nach dem ihm angezeigten Modell, so dass sie inwendig auf und zugemacht werden können, verfertigen, imgleichen soll er in der Küche, in der Speisekammer und im Keller alle nöthige Riege und die Abkleidungen in dem Keller von Lattenwerk wie es ihm entweder schon bekannt oder noch angezeiget werden mögte, machen.

Die sämtliche inwendige Wände sind mit Kalck zu besetzen, abzuputzen und 2 mal überzuweißen. Der Kalck ist wohl zu schlagen und zu einem Gebrauch verantwortlich zu praparieren. Schornstein und Backqofen sind in genugsamer Dicke und nach der Maaße die der Riß angibt, und wie überdem Niß Feddersen die Anzeige thun wird aufzuführen.

Innerhalb der Frist (7) und auf eine proportionierliche Höhe außer dem Dache, ist der Schomstein in Kalck zu mauern und auszufugen. Die Nichen zu den Öfen sind nach der Anzeige des Zimmermeisters Feddersen einzurichten und alle gußeisernen Öfen (8) aufzusetzen.

Überhaupt muß derAnnehmer sich bei Verfertigung dieser Mauer-Arbeit nach der Anweisung des vorgesagten Zimrnermeister Feddersen richten. Alle Materialien sollen dem Annehmer auf der Baustelle frei geliefert werden, die zur Arbeit nöthigen Leute aber muß er selbst anschaffen und auf seine Kosten halten.

Mit sothaner Arbeit muss der Annehmen sobald es die Jahreszeit zulässet und Materialien vorhanden, anfangen, und solche ohne Auflhalt und zwar solchergestalt fortsetzen, dass, wenn die Witterungen nicht hinderlich gewesen, das ganze Haus spätestens gegen künftigen Michaelis (9) völlig fertig sein kann.

Für solche sämtliche Mauerarbeiten sollen dem Annehmer beaccordirtermaßen 50 Rthl (10) schreibe Fünfzig Rthl Courant, von mir dem Capitaine Ingersen, und zwar wenn die auswendige Hauptmauer völlig aufgeführt seyn wird davon nur gewisse Summa in Abschlag, und nach völlig beschafter tüchtig, gut und ohne Tadel befundener Arbeit der Rest bezahlt werden.

Alle die vorher beschriebene Mauer-Arbeit, und wie sie von dem Zimmermeister Feddersen näher wird angewiesen werden. will ich als Annehmer mich hierdurch verpflichten, für die angeführte beaccordierte Summa tüchtig und untadelig und ohne Aufhalt zu verfertigen, und meines Theils äns..st zu befördern, dass, nachdem die Witterung fugen will, das gantze Haus zu bestimmten Zeit fertig seyn kann.

Es wird annoch beygefüget, dass das Retrait (11), welches an der Oster-Ende-Mauer auf 2 Stockwerke hoch, nach der Maaße und Anleitung die der Zimmermeister Niß Feddersen ertheilen wird aujgeführet werden soll, davon zwar vorher keine Erwehnung geschehen, das aber doch in diesem Contract und Accord mit begriffen, mit der Mauer wohl zu verbinden, auswendig auszufugen und inwendig mit Kalck abzusetzen und zu putzen auch überzuweißen ist.

Urkundlich ist dieser Contract in Duplo ausgefertigt und von beiden Contrahenten eigenhändig unterschrieben worden.

So gesehen Gelting d 1. November und Langenhorn
den [....] 1767

(Unterschrifien)
P lnggersen
Niß Feddersen


Im Stall soll er alle Abkleidungen zu den Kühen und Pferde-Ställen, Mistrinnen, Krippen und Raufen], imgleichen die Nost (12) und Tränkkummen verfertigen: an der Norder-Seite des Hauses einen Soth oder Brunnen in genugsahmer Tiefe und Weite, dass er reichlich Wassergiebíg sein mag und von rothen Steinen ausführen, dazu die Kränze und oben ein Gelender herum nebst Baum und Schwinge maechen oder nach Gutdünken eine Pumpe mit der Überkleidung sezen.

Zum Gebrauch im Stall und in der Loh (13) hat er zwey Leitern und im Stall ein Hüner Rick mit einem Aufgangs-Brett samt einigen Taubenlöchern imgleichen drey Forken-Stangen, eine Klot-(14) oder Klüber- und eine Feuerhaken-Stange wie auch die Quer-Lager über dem Feuerherd unter dem Schornstein samt einem Tisch in der Küche zu machen.

Das zu solcher Arbeit erforderliche Geräthe und die nöthigen Leute hält zwar der Annehmer; die sämtl nöthige Materialien aber wie sie Namen haben mögen an Bretten Balken, Sparren, Latten, rothe- und Feldsteinen und was sonst erfordert wird außer den Tischler-Leim, soll ihm frei auf der Bau-Stelle geliefert werden: nur dass er wegen Transportierung der Materialien, doch ohne dass er einige Transport Kosten stehen Umsorge tragen, auch die Kuhle zum Einschlag und Löschung des Kalcks, nebst dem Koben zum Kalck-Schlagen machen muß.

Der Annehmer soll zwar die Spähne von den Holz-Materialien und die abgesägten End-Stücken die unter einen Fuß lang sind für sich behalten, alle die längeren Stücke aber soll er dem Bauherrn zurücklassen.

Für alle vorherbeschriebene Arbeit soll dem Annehmer Niß Feddersen zweyhundert Rthl courant, und zwar wenn das Haus gerichtet ist davon 200 M und wenn er die Arbeit völlig beschaffet, und man sie tüchtig gut und ohne Tadel gefunden hat, die übrigen 400 M bar bezahlt werden. Er muß schon im bevorstehenden Winter die Thüren und was er vorher verfertigen kann, zurecht machen und überhaupt mit der Arbeit nicht zögern.

Und wie nun ich Niß Feddersen sothane (15) sämtl. Arbeit für die accordane Summa von 200 Rthl zu verfertigen übernommen, als mache ich mich hiedurch verbindlich, dieselbe in der Maaße wie sie vorher beschrieben und wie der Riß von dem Hause mir die Anleitung gibt, zuverlässig tüchtig und gut, dass nichts daran zu tadeln vorfallen soll ohne Aufhalt, und zwar dass sie spätestens, mit dem ganzen Hause gegen künftigen Michaelis, doch nachdem die Witterung seyn will, völlig geendigt seyn kann, zu verfertigen.

Urkundlich ist dieser Contract in Duplo ausgefertiget, und von Beiden Contrahenten unterschrieben worden. So geschehen Gelting den 1sten Nov: 1767

P Inggersen
Niß Feddersen
Zimmermeister


Es ist bedauerlich, dass der im Vertrag genannte Abriss, die Bauzeichnung, nicht überliefert ist, zumindest bislang nicht gefunden wurde. Daher bleibt die Anordnung der Räume zum Teil spekulativ. Dasselbe gilt für den Zustand nach dem Wiederaufbau im Reußenkoog, weil es in den folgenden 165 Jahren nicht dokumentierte Änderungen gab. Über eine Erweiterung um vier Gefache gibt das Brandkataster der Reußenköge von 1849 Auskunft.

Das Haus war als so genanntes Geesthardenhaus konzipiert, eine Hausform, die in Nordfriesland sowohl auf der Geest als auch in der Marsch verbreitet war und auf jütische Einflüsse zurückzuführen ist. Das Sparrendach ist wandtragend angelegt. Es ist mit Reet gedeckt und an beiden Giebelseiten halb gewalmt. Der Wohnteil ist durch eine Querdiele vom Wirtschaftsteil getrennt. Alle Wirtschaftsräume, die Lohdiele genannte Tenne, der Stall und der Bansenraum am Ende des Winschaftsteils, der in der Regel als ein durch mehrere Ständerpaare gestütztes „Vierkant” angelegt war, sind von der Langseite des Gebäudes erschlossen.

Da das Haus des Capitains überwiegend dem Wohnen und der Repräsentation dienen sollte, ist die Zahl der Wohnräume auffallend groß. Selbst der Dachraum ist mit Wohnräumen belegt.


Baubeginn 1768

Im Frühjahr 1768 wurde mit dem Bau begonnen. Zuvor wurden insgesamt 224.885 Steine in 45 ganz unterschiedlichen Mengen gekauft. Ein Auszug aus der vier Seiten umfassenden Einkaufsliste der Ziegel zeigt, dass aus Osten an der Oste bei Stade einmal 68.000 und ein weiteres Mal 39.000 Stück, insgesamt 107.000 Stück, auf dem Seewege nach dem kleinen Sielhafen Feddershafen bei Neugalmsbüll gebracht wurden. Dort musste Zoll entrichtet werden, und von dort wurden die Ziegel mit Fuhrwerken auf die Baustelle in Langenhorn gebracht. Die übrigen 117.885 Steine wurden rund um Langenhorn in den verschiedenen Feldbrand-Ziegeleien und wohl auch bei Bauern (aus Abbrüchen?) in 43 Partien zwischen 150 und 10.000 Stück gekauft.

Die in der Einkaufsliste als Bleichsteine bezeichneten Ziegel sind die schwächer gebrannten Steine, die heller und weicher waren. Sie waren preisgünstiger und wurden für die lnnenwände und an den lnnenseiten der Außenmauern verwendet. Ältere Maurer nannten noch vor ca. 20-30 Jahren diese Steine, wenn sie bei Arbeiten an alten Häusern auftauchten, auf plattdeutsch: „Bleekers“.

Die Maurer arbeiteten im Akkord und wurden nach der Stückzahl der vermauerten Steine bezahlt. Für das Vermauern von 1.000 Steinen bekam der Maurer 1 Rthl 8ß.

Richtfest wurde am 12. Aug. 1768 gefeiert. An Herrn Behrens in Langenhorn werden 2 Reichsthaler für 2 Tonnen Bier beym Richten des Hauses bezahlt.

Einige weitere Anschaffungen mögen den ungewöhnlichen Luxus in einem nordfriesischen Bauerndorf jener Zeit veranschaulichen: „400 Stück glassiirte und gemalte Wandklinckers unterschiedlicher Gattung, mit verlegter (16) Fracht und Provision für 83 Reichsthaler. Für die Klinckers aufzusetzen bekam Niß Feddersen 10 Rthlr 40 ß, Handwerkerlohn für rund 30 Tage.

Ein Schleswiger Glaser lieferte 550 „Scheiben vom Böhmischen Glass à 4 ? ß” Summe: 48 Rthlr 16 ß, zum Verglasen der kleinteiligen barocken Fenster.

Der Schmied Andreas Balge lieferte mehr als 6.000 verzinnte Schmiedenägel.

„2 Spiegeltische von Cappel“ kosteten 5 Rthl 16 ß „Gardinenschnüre und Band“;

„12 Stück Stühle aus Hamburg“ - 17 Rthl 16 ß;

Es wurden 6 Pfeiler-Bettstellen mit Himmel, die rundherum mit Gardienen behangen werden können, bei Niß Feddersen bestellt und bezahlt mit 10 Rthl.

Der Flensburger Bildhauer Frid. Windekilde liefert für 7 Rthl einen ausgehauenen Stein über die Hausthüre mit Arbeit und Vergoldung.

1771 hat Paul Ingwersen die Baukosten der getrennt aufgeführten Gewerke penibel nach Rechnungen und Quittungen zusammengestellt und die Summe ermittelt: 3.339 dänische Reichsthaler und 46 Schillinge. Das wären umgerechnet nach heutigem Wert ca. 1,2 Mio Euro.

Die Abrechnung gibt Hinweise auf die Ausstattung, auf die Räume und auf die narnentlich aufgeführten Handwerker. So wird ersichtlich, dass neben den Handwerkern aus Langenhorn und aus den umliegenden Dörfern auch solche aus dem Umfeld des Gutes Gelting herangezogen wurden, die dem Bauherrn natürlich bekannt waren durch die Bautätigkeit des Bruders am Herrenhaus Gelting.

Ein Tischler namens Jürgen Friedrich Schreiber hat Schiebefenster und Teile dafür geliefert. Er hat wahrscheinlich auch die prachtvolle Alkovenwand a.ls Trennwand zwischen der Döns und dem Pesel angefertigt. Die gediegene Art der Ausführung lässt einen solchen Schluss zu.


Die Unterlagen unter den bretternen Fußböden unten im Hause und die Thürschwellen, soll er in solcher Linie legen, daß kein Auf oder Niedertritt aus einem Zimmer in das andere werde, wovon jedoch das Zimmer über dem Keller ausgenommen, als nach welcher ein Auftritt mit bequemen Stufen zu machen.

Die Räume des Hauses

Ein umfangreiches lnventarverzeichnis (17) von 125 handschriftlichen Seiten wurde nach Paul lngwersens Tod 1792 aufgestellt. Darin sind die vorhandenen Räume im Haus – im Erdgeschoss wie im Dachraum – in der Reihenfolge der Inventarisierung aufgeführt und wie folgt nachzuvollziehen:

Erdgeschoss
Wohnstube des Wohnhauses
Kleine Kammer zwischen den Alcow-Betten
Zimmer osten neben der Wohnstube
Schlafkammer
Küchenthür
Vordiele des Wohnhauses
der Saal
Kammer norden dem Saal
Norden Außendiel an der Küche
Küche
Speisekammer
Südervordiele
Dachboden
Auf dem Boden in der sogenannten Baronschen Stube
Im Süder Winckel, neben der Baronschen Stube
Mädgenkammer
Norderwinkel auf dem Boden
die oberste Außendiele
Süderstube auf dem Boden
Sogenannte rothe Stube auf dem Boden
Sagenannte düster Vorkammer
der oberste Boden Keller

Keller und Stall
Vorkeller
Perdestall

Nebengebäude
Scheune
Loh (Querdíele, Tenne) der Backhauses
Vordiele zum Backhaus
Backzimmer
Knechtskammer
Boden außen vor das tägliche Zimmer
tägliche Wohnstube im Backhause

- - -

Das Haus wird nicht ständig bewohnt. Paul Inggersen ist oft auf dem Besitz des Bruders in Gelting. Dort führt er auch dessen Bücher. Wenn er zu Hause ist, wohnt er meistens, wie aus dem Inventarverzeichnis ersichtlich, in der Wohnstube im geräumigen Backhaus.

Der Versicherungswert des Anwesens beträgt laut Brandkataster im Jahre 1778 mit Backhaus und Remise 2002 Rthl und liegt damit zwei- bis dreimal so hoch wie die nächstgroßen Bauernhäuser in dem Bauerndorf Langenhorn. (18) Dabei ist zu bedenken, dass der Capitain keine Landwirtschaft betrieb und es nur einen Stall für ein paar Pferde und einige Kühe für die eigene Versorgung gab. Es fällt auf, dass der Versicherungswert nur 60% der Baukosten abdeckt.

Der Baron und Reichsfreiherr Seneca stirbt 1786 in Den Haag auf Rustenburg am Scheveningschen Weg, wo er schon 1758 das fürstliche Anwesen erworben hatte. Er wird in der Oude Kerk in Voorburg beigesetzt. Ein Epitaph in der Kirche und eine nach ihm benannte Straße erinnern daran.

ln der Gemeinde Langenhorn erinnert eine große Orgel mit 30 Registern und einem prächtigen Prospekt an den Baron, die er seiner Heimatgemeinde schenkte.

Paul, der unverehelichte Bruder, stirbt 1792. Das erwähnte Inventarverzeichnis des Hauses in Langenhorn ist Raum für Raum auf 125 handgeschriebenen Seiten aufgelistet. Erbin ist seine Nichte, Baronesse Gertruyda von Spörcken, die älteste Tochter des Barons Seneca lnggersen, die vermutlich nach dem Tod ihres Onkels im Hause gewohnt hat.


Der Verkauf

ln einem Brief vom 12. April 1797 an ihre „Süster“ Adriana äußert Gertruyda die Befürchtung, dass das Haus bei der Versteigerung nicht seinem Wert entsprechend verkauft werden könne. „ ...man ist sich nicht einig, wie hoch das Haus und die Ländereien zu Langenhorn zu taxieren sind. Dem einen zu hoch, dem anderen zu niedrig. Es sollte doch festgelegt werden, unter welchem Preis es nicht veräußert werden sollte.“ (19)

Zu der Auktion ist es dann offenbar nicht gekommen. Erst nach dem Tode der Baronesse machen die Erben einen neuen Versuch, die Gebäude zu verkaufen, Das gelingt zunächst nicht, weil das Haus mit den verstreut gelegenen kleinen Landstücken (insgesamt ca. 8 Hektar) in einem Konvolut angeboten wird. Das Konvolut wird schließlich aufgeschnürt, um die Landstücke meistbietend einzeln zu verkaufen. Es findet sich auch jetzt kein Käufer, der sich das große Haus mit den Nebengebäuden leisten könnte, zumal es wegen des kleinen Stallraumes für die landwirtschaftliche Nutzung in größerem Umfange nicht geeignet ist.

Am Giebel des Hauses über der Haustür befand sich bis zuletzt der in der Bauabrechnung von 1771 aufgeführte prächtig ausgeführte Giebelstein mit einem Spiegelmonogramm des Capitains PI.

Wohl aber gibt es Interesse, das Wohnhaus mit Nebengebäuden auf Abbruch zu erwerben. In dem erhaltenen Versteigerungs-Protokoll vom 4. Juni 1803, den „Conditiones wonach Haus und nebengebäude der verstorbenen Frau (Gertruyda) Baronessin von Spörcken zu Langenhorn, imgleichen die Ländereien alternative im einzelnen sowohl als im Ganzen, verkauft werden sollen“, heißt es: 

Ferner hat am heutigen Tage der Herr Ketel Paulsen im Soph: Magdal: Kog auf die Wohn- und Nebengebäuden 300 M mehr also zusammen 2.800 M geboten, welchen unter Aufhebung des ersten Botts, von 2.500 M der Zuschlag unter den vorbemerkten Verpflichtungen, gleichfalls geschehen.

Der Käufer, Ketel Paulsen, aus dem benachbarten Sophie-Magdalenen-Koog hatte 250.000 Mark lübsch (MI) geboten (83.000 Rthl), jetzt wird ihm bedeutet, noch 30.000 Ml zuzulegen, und so erhält er den Zuschlag für 280.000 MI (93.000 Rthl).

Er kaufte die erst 35 Jahre alten Gebäude für seinen Sohn Momme Ketelsen, für den er im nahe gelegenen, 1789 neu eingedeichten Reußenkoog ca. 87 Demat (ca. 43 ha) Land erworben hatte.

Im Jahre 1805 wurde das Haus auf einer Warft wieder errichtet mit allen Einbauten und mit den „4.000 glasiierten Wandklinckers“, den niederländischen Fliesen, an den Wänden von drei Zimmern. Die Maueranker in Form der Ziffern 1805 am Ostgiebel erinnerten bis zum Abbruch des Hauses im Jahre 1970 an das Jahr des Wiederaufbaus. Am Giebel des Hauses über der Haustür befand sich bis zuletzt der in der Bauabrechnung von 1771 aufgeführte prächtig ausgeführte Giebelstein mit einem Spiegelmonogramm des Capitains PI und dem Bibelspruch aus dem 1. Buch Samuel, Kap.7, V 5 des Alten Testaments „Bis hieher hat mir der Herr geholfen" und dem Erbauungsiahr 1768.

An den Flensburger Bildhauer Frid. Windekilde hatte er „Für einen ausgehauenen Stein über die Hausthüre, mit Arbeit und Vergoldung bedungenermaßen 7 Reichsthaler“ bezahlt.


Am neuen Standort

Das Haus ist im Reußenkoog um vier Fach länger als in Langenhorn, hat aber sonst mit Sicherheit die gleichen Maße (Breite und Höhe), die der Dachstuhl vorgab. Die Deckenhöhe betrug auch hier 2,95m wie an der bis heute erhaltenen Alkovenwand zwischen Döns und Pesel ablesbar ist. Im Oberlicht der Haustür, das offenbar aus der Zeit des Wiederaufbaues stammt, sind die Initialen des neuen Eigentümers MK (Momme Ketelsen) eingefügt. Das Bauerngehöft erhielt zu dem gleichzeitig übertragenen Backhaus ein größeres allein stehendes Stallgebäude mit angebautem Schuppen. Es blieb bis zum Abbruch 1970 im Besitz der Nachkommen von Momme Ketelsen. Ab 1905 war es an verschiedene Bauern im Ganzen verpachtet. Die letzten Pächter, Paul und Christine Christiansen, zogen 1968 aus Altersgründen in das Elternhaus von Christine auf Hof Ecke im benachbarten Sophie-Magdalenen-Koog.


Das Ende

lm Sturm 1962 war bereits ein Teil des Daches eingestürzt. Der Eigentümer hatte das Haus um den nicht mehr benötigten Stall auf ca. 22 Meter Länge verkürzt, den alten Dachstuhl bis auf die Deckenbalken entfernt und ein Bungalowdach auf den Hofrest gesetzt. Da niemanden das Haus noch interessierte, wurde es 1970 abgebrochen, nachdem die Fliesen und alles nutzbare alte Material herausgekauft worden waren. Die Fliesen sind zum großen Teil im Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven und im Schiffahrtsmuseum in Brake an der Weser zur Demonstration der Wohnkultur in Kapitänshäusern an der Küste verwendet worden. Die Alkovenwand, die Haustür und der Giebelstein sind privat vor dem Untergang gerettet worden.

Die Ziegelwände wurden umgestoßen. Die verlassene Warft mit dem Baumbestand und dem überwachsenen Schutthaufen ist zur Wüstung geworden. Der Umstand, dass der erste Erbauer Paul lnggersen auf dem adligen Gut Gelting längere Zeit seinen Platz gehabt hatte und dass sein schriftlicher Nachlass nach seinem Tod in das Gutsarchiv gelangte, ist Grund für die gute Aktenlage dieser Hausumsetzung.

Auch dieser Umstand macht das Schicksal des Hauses zu einer ungewöhnlichen Geschichte.


Quellen
1 Gutsarchiv Gelting im Landesarchiv Schleswig
2. Panten, Albert: Seneca Inggersens Glück in Batavia.
Langenhorn 1999.
3. Silberhorn. Gertrud: Die Lebensgeschichte des Nordfriesen Seneca Inggersen, Freiherr von Geltingen.
In: Demokratische Geschichte, Jahrbuch für Schleswig-Holstein 16, Malente 2004.
4. Kühnast. Gerd: Der Hof Brodersen im Reußenkoog.
In: Chronik des Reußenkoogs, Bredstedt 1989.

Anmerkungen
1 Panten. S.50
2 Gutsarchiv Gelting Abt. ###
3 brüchen = pflastern
4 Ack = Einfahrt in eine Scheune oder Tenne: aus Fries. acki „Tür"
5 Architrav: in der griechischen Baukunst Fries und Sims, die auf den Säulen liegen
6 Die fett gedruckten Wörter sind in lateinischer Schrift geschrieben
7 friesisch: First
8 wahrscheinlich Bilegger, Kastenofen aus gegossenen Eisenplatten
9 29. September
10 Der dänische Reichstaler (Rthlr oder r) entsprach 48 Schillingen (ß) oder 3 Mark lübsch (M. oder MI).
11 frz.: Abort
12 Wasserbehälter zum Tränken des Viehs
13 Tenne im friesischen Langhaus
14 langer Springstock mit einem Holzklotz am unteren Ende zum Überspringen der Marschgräben
15 solche
16 verauslagter
17 IAS Abt. 195 GAG Nr. 1169
18 Brandkataster Dorf Langenhorn, Pag 77. LAS Abt. 4005 Nr. 909
19 LAS GAG 1208
20 Kopie des Protokolls im Archiv Nfl


Aus dem IGB-Archiv, Der Maueranker 03/2004

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