Gamle huse på Rømø

"Gamle huse på Rømø" ist der Titel eines Buches, in dem der Architekt Aksel Skov im Jahre 1992 sein umfangreiches Wissen über die historischen Gebäude der dänischen Wattenmeerinsel niedergelegt hat. Ein besonderes Erlebnis wurde für den IGB-Vorstand eine Unterbrechung ihrer Klausur auf der Insel Røm, um den besten Kenner der historischen Architektur der Insel zu besuchen. Der heute 94-jährige lebt mit seiner Frau seit 1959 auf Röm, nachdem er zwei Jahre davor die Insel in den Ferien kennen und lieben gelernt hatte. Der Erwerb des stark verfallenen Hauses aus dem 18. Jahrhundert machte den Baufachmann neugierig, zumal bei der Restaurierung des typischen Rømhauses immer wieder Fragen und Rätsel auftauchten. An der Insel reizte ihn ihre Eigenart: Das Zusammenspiel der rauhen Natur und den wie aus einem Guß wirkenden alten Häusern. In den folgenden Jahrzehnten fertigte er unzählige Aufmaßzeichnungen mit allen Verformungen der Jahrhunderte an, und 1981 veröffentlichte er in den Sønderjyske Ärbøger einen Artikel mit Zeichnungen und Fotos der Häuser (Abb. 6).

"Ich hatte ursprünglich daran gedacht, mein Material in ein Archiv zu geben, wo die an dem Thema Interessierten es für die weitere Bearbeitung hätten verwenden können. Aber der Architekt Jørgen M. Søndergaard fand, daß der Stoff nützlicher wäre, wenn er in einem Buch erschiene" sagt Skov in seiner Einleitung. So wurde der Artikel überarbeitet, im Umfang erweitert und mit aktuellen Fotos versehen, so dass daraus das Buch entstand.

Die Denkmal-Kartierung der alten Häuser der Insel von 1971 umfasste 158 Häuser, von denen die meisten eine Beschreibung verdient gehabt hätten, als sie ihnen damals zuteil wurde. Das vorgelegte Buch behandelt eine kleine Zahl von Häusern ausführlich und ist nach Ansicht des Autors keineswegs erschöpfend. Uns zeigten Herr und Frau Skov ihr liebevoll restauriertes Hans, das überall die Rücksicht des Hausforschers auf die Geschichte des Hauses erkennen lässt. Aksel Skov gewährte uns einen Einblick in seine umfassende Dokumentation, die aus einer Vielzahl mit Hingabe gefertigter Aufmaßzeichnungen besteht.

Der Blick aus dem Fenster geht über Wiesen und Äcker, Dünen und Kiefernwäldchen. Die nächsten Nachbarhäuser sind gar nicht zu sehen. Die Insel ist trotz ihrer starken touristischen Nutzung nur an wenigen Punkten durch den Fremdenverkehr geprägt oder gar beeinträchtigt und hat das Schicksal der kapitalistischen Ausbeutung ihrer südlichen Nachbarinseln auf deutsche Seite (noch) nicht teilen müssen. Am Haus von Ehepaar Skov sind die im Folgenden beschriebenen Merkmale des Rømhauses noch gut ablesbar (Abb. 1).


Die alter Häuser auf der Insel Røm

Røm liegt im Wattenmeer ca. 10 km vor der Westküste Südjütlands. Vor 1848 bestand die offizielle Verbindung der Insel mit dem Festland aus einem bescheidenen Fährboot, das höchstens zweimal täglich bei Hochwasser verkehren konnte.

Die Bewohner der Insel waren seit Menschengedenken Fischer und Seeleute, aber besonders im 18. Jahrhundert hatten sie ihre große Zeit, als sie auf holländischen und norddeutschen Schiffen vor Grönland Wale jagten. Viele dieser Seeleute brachten es zu Geld, das sie den Bauern an der Westküste Jütlands liehen und in Höfen und Häusern anlegten. Zu dieser Zeit lebten 40 Kommandeure, wie die Kapitäne auf Walfängern hießen, auf der Insel. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren Wale und Robben in der Grönlandsee fast ganz ausgerottet, und es begannen magere Zeiten für die Bewohner Røms.

Nur wenige neue Häuser wurden gebaut. Dadurch blieb die Insel von architektonischer Umgestaltung, wie sie Gebieten mit größeren wirtschaftlichen Aktivitäten ihren Stempel aufdrückte, verschont. Die bestehenden Häuser wurden kaum umgebaut, nur instand gehalten. Die Zahl der Einwohner fiel drastisch. 1854 lebten noch 1.348 Menschen auf der Insel, 1956 waren es nur noch knapp die Hälfte, nämlich 651. Etliche Häuser wurden abgerissen, well sie keine Käufer fanden. Und es war allgemein akzeptiert, daß man sein eigenes Haus mit Baumaterial aus leerstehenden Häusern instand setzte.

1948 wurde der Damm zum Festland für den Verkehr geöffnet. Damit veränderte sich der Status der Insel grundlegend. Man kann mit einem modernen Ausdruck die alten Røm-Häuser Fertighäuser mit offenem System nennen, well ihre Teile so standardisiert waren, daß sie sich in jedem zeitgenössischen Haus anwenden ließen. Die Einrichtung der Hauser folgte einem festen Programm. Es gab nur wenige Materialarten, und die Konstruktionen waren einfach. Die Längsrichtung der Häuser war Ost-West. Die Außenmauern bestanden aus einem einfachen Fachwerk ohne Fußschwelle und ohne Riegel, die Innenwände aus mehr oder weniger profilierten Brettern. Die Fachwerkständer, in der Regel aus Kiefernholz, ruhten auf einem Feldstein und waren mit dem daraufliegenden Rähm verzapft. Auf dem Rähm ruhten die Deckenbalken, in welche die Dachsparren eingezapft waren (Abb. 4).

Zum Ausfachen wurden kleine rote Ziegelsteine, selten die etwas größeren gelben Ziegel, die sogenannten Flensburgersteine, verwendet. Auffallend ist, daß die Längswände lediglich mit einem halbsteinstarken Mauerwerk ausgefacht wurden.

Die Dächer sind bis heute mit Reet gedeckt (Eisdächer genannt, weil das Reet im Winter auf dem Eis geschnitten wind). Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die meisten Fachwerkwände durch Massivmauerwerk ersetzt, aber etliche Nordwände bestehen immer noch ganz oder teilweise aus Fachwerk. Die ursprüngliche Konstruktion ist draußen an den Löchern der Holznägel in der Außenseite des Rahmens oder im Inneren an ausgefüllten Zapfenlöchern zu erkennen.

Viele Häuser haben sich wegen ihrer primitiven Fundamentierung gesetzt, viele Außenwände sind unten weggerutscht, und viele Deckenbalken sind durch das Absacken der Außenwände, das bei den tragenden Längswänden im Innern der Häuser geringer ist, krumm geworden.

Es gibt noch etwa ein Dutzend Häuser, die in einer Mischkonstruktion gebaut worden sind: mit Fachwerklängs- und massiv gemauerten Giebelwänden. Während die Längswände äußerst bescheiden wirken, sind die Giebelseiten Vollsteinmauern, mit verschiedenen Zierverbänden geschmückt: z.B. an jeder Dachseite zwei diagonal gemauerte "holländische Dreiecke", zu beiden Seiten der Bodenluke ein doppelbogiger Blendverband und in Höhe der unteren Traufe ein drei Schichten hohes, weiß gekalktes Sims.

Die Hausgrundrisse bestehen mit kleineren Abweichungen entsprechend der Hausgröße aus der Diele (Querdiele – dän. Framgulv), der Südstube (Sönderdörns),und einer auch zu Süden gelegenen großen Stube (Pisel), einer Küche, einer Nordstube (Nörredörns) und einem Abstellraum (Klöve) gegen Norden (Abb. 4, Abb.5). Die größeren Höfe verfügten über einige zusätzliche kleinere Räume (zweite Dörns, eine Lilledörns und einen eigenen abgetrennten Raum für den Backofen. Die Querdiele (Framgulv) trennte wie beim Geesthardenhaus und beim Utländischen Haus, dem das Rømhaus eng verwandt ist, die Wohnräume vom Stall und ging oft quer durch das ganze Haus.

Alle Schlafstellen waren Alkoven, diejenigen des Hausherrn und seiner Frau in der Süddörns oder Norddörns, die mit Nebenöfen, meist eisernen Kastenöfen, beheizt werden konnten.

In der Küche befanden sich Alkoven für ein oder zwei Mädchen. Der weit vom Schornstein entfernt gelegene und somit nicht heizbare Pesel wurde nur zu festlichen Anlässen gebraucht. Es gab darin zwei Alkoven. Hier standen die Schränke und Kommoden mit der Aussteuer. lm Pesel wurden die Toten aufgebahrt und durch eine Außentür, die Leichentür in der Giebelwand hinausgetragen.

Die Größe der Ställe war abhängig von dem Grund und Boden, der dazugehörte, aber ihre Einrichtung war nicht wie die der übrigen Räume an Traditionen gebunden. Besonders kennzeichnend für die Rømhäuser sind die Portale, Abb 3. Sie wurden in den Jahren 1850-90 hinzugefügt, wahrscheinlich dann, wenn die Fachwerkwände durch Massivwände ersetzt wurden. Sie sind oft recht unakademisch gestaltet und stehen in merkwürdigem Kontrast zu der strengen Sachlichkeit der Fassaden. Die roten Ziegelmauern wurden in Laufe der Jahre meist rot gekalkt, aber später mit industriell hergestellten Farben angestrichen, die dazu neigt, mit den Jahren bläulich zu werden. Einige Hauser wurden weiß,
(Abb. 2).

Das Auffälligste an der Inneneinrichtung waren die holländischen Fayencefliesen, mit denen in vielen Häusern alle Außenwände bekleidet waren. Dies verstärkte die Halbsteinwände und wies das eindringende Wasser ab. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen auch nach Røm andere Bauideale. Aber abgesehen davon, daß sich die ersten Beispiele für die neuen Bauformen ungefähr an die Größenverhältnisse der alter Hauser anpaßten, waren sie mehr "europäisch" als "römisch". Es blieben nur wenige.

Draußen waren früher die weiß gestrichenen Lattenzäune an jedem Haus üblich. Das war notwendig, weil das Vieh nach der Ernte frei herumlief und weil zu jedem Haus ein kleiner Kohlgarten gehörte, der geschützt werden mußte. Der Zaun war ungefähr 1 Meter hoch und stand nur wenige Meter von der Südfassade des Hauses entfernt. An den Giebeln reichte der Zaun bis zur Dachtraufe.

Text und Skizzen sind dem Buch "Gamle huse på Rømø" von Aksel Skov (ISBN Nr. 87-418-6421-2, Kopenhagen 1992),
mit Genehmigung des Verfassers entnommen.


Quelle IGB-Archiv, Der Maueranker 01/1997

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